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27.4.2024 : 21:18 : +0200

"Chaussee" die Zeitschrift für Kultur und Literatur erschienen mit Auszug aus Herkommer-Roman

14.07.2008

Die renommierte Literaturzeitschrift bringt in ihrer Ausgabe 1/2008 einen Auszug aus dem Roman von Frank Herkommer: "Das letzte Tabu"

Kleiner Auszug aus dem "Chaussee"- Beitrag. Sie erhalten das Heft in jeder Buchhandlung für 4 Euro

 

Das letzte Tabu- Textauszug bei Ankunft im Himmel nach einem tödlichen Verkehrsunfall


Szene Ankunft Roberts im Jenseits:


Petrus habe ich mir immer ganz anders vorgestellt. Mehr Dürer. Zeitlos alt, bärtig, misstrauischer Blick. Aufgerieben zwischen Glaubensschlachten und Verfolgungsängsten. Wenig Haar, dafür viele Sorgenfalten. So eine Art finster dreinblickender, schlappenschlürfender Concierge des Himmels.

Stattdessen - Rafael.

Vom Jenseits selbst kann ich nicht viel sehen. Wir beiden befinden uns in einer Art Tower, viel Glas und Stahl, draußen ungetrübtes Einheitsblau.

Bin ich- im Himmel?“

Junior Petrus nickt.

Mann! Millionen hatten im Lauf der Geschichte auf ihr Lebensglück verzichtet, nur um letztendlich einmal da zu stehen, wo ich mich jetzt befinde. Neuerdings sprengen sich Legionen junger Männer todesverachtend in die Luft, auch darum, weil ihnen als Belohnung das Paradies garantiert wird. Ganz zu schweigen von Mutter Kirche. In ihrer unendlichen Güte hat sie Hunderttausende sündige Frauen verbrannt, um ihnen unter vorweggenommenen Höllenqualen ein Last-Minute-Ticket hierher zu verschaffen.

Und ich undankbarer Tropf? Obwohl ich es geahnt, im tiefsten Inneren bereits gewusst habe, mit der Bestätigung kippt meine Stimmung schlagartig. Ein fetter Kloß versperrt dem Speichel den Weg, und durch meine Magengrube rast eine außer Kontrolle geratene Achterbahn.

Ich hörte meine Stimme. Brüchig. Seelenkommuniqué.

Jetzt bloß keine depressive Verstimmung! Nur weil ich tot bin.

Ich vermute mal - Petrus?“

Der nächste christliche Imperialist. Das Jenseits gehört ja nur euch!“

Der harsche, unüberhörbar ironische Ton, in dem er mit mir spricht, ist weder meiner Stimmung förderlich, noch entspricht er meinen bisherigen Vorstellungen himmlischer Umgangsformen.

Der himmlische Empfangschef setzt nach, in einem Tonfall, wie man mit kleinen Kindern spricht:„Eine Veranstaltung für Auserwählte. Lauter kleine Nachfolger Petri. Was für eine niedliche Vorstellung!“ Jetzt wieder an Erwachsene. „Dabei ist es doch so einfach: Alle sterben, alle landen hier. Hindus, Moslems, Christen, Juden, Buddhisten. Gläubige genauso wie Agnostiker und Atheisten. Pantheisten und Schamanen, Animisten und Mystiker. Die alten Wotangermanen, die Jupiterrömer, die Zeusgriechen Alle. Der eine früher, der andere später.“

Pause, gefüllt mit einem hinreißenden Lächeln.

Das leuchtet mir ein. Nächstes Herantasten.

Und wer sind Sie?“

Nur nicht in die Defensive treiben lassen! Wer fragt, bestimmt.

Nicht so förmlich, Robert! Wir sollten uns von Anfang an duzen. Immerhin werden wir die ganze Ewigkeit miteinander verbunden bleiben. Kein gnädiger Tod mehr, der uns beiden scheiden könnte. Also, ich bin Robert, dein Dämon.“